Gelebte Demokratie - Teil 1

Im Unterrichtsgegenstand Geschichte, Politische Bildung und Recht haben Schüler offene Briefe mit Fragen an Politiker und öffentliche Persönlichkeiten mit ihren Fragen und Anliegen gesendet. Die Briefe wurden umgehend beantwortet:

Leitner Andrea, Schülerin/Maturantin aus dem 5IUM aus Weitensfeld hat in besonderer Weise unseren Bundeskanzler Kurz literarisch herausgefordert:

Weitensfeld, 21.04.2020

Der Revolverheld und die Corona „P(B)ande(mie)”

Sehr geschätzter Herr Bundeskanzler!

Grillenzirpen, ein ausgetrockneter Busch, der über den verwaisten Platz fegt und ein Ladenschild, das quietschend im Wind schwingt. Man könnte fast meinen, sich in einem der berüchtigten Karl May Western verirrt zu haben. Nur, dass die verlassenen Straßen kein spannendes Duell zwischen zwei Revolverhelden ankündigen, denn unser Feind ist zu klein, um auf ihn schießen zu können. Ein Happy End erscheint unmöglich, aber wir, die österreichische Bevölkerung, wissen, dass wir uns auf Sie verlassen können.

Am Beispiel Kärnten können wir erkennen, dass keine Ihrer Entscheidungen infrage zu stellen ist. Es wird immer Gegenwind von anderen Parteien oder aus der Bevölkerung geben, das wissen Sie nur allzu gut. Dennoch haben Sie nicht lange gefackelt und unverzüglich gehandelt. Es wurden uns keine wagemutigen Versprechungen gemacht, Sie haben immer klar und deutlich vor der Bevölkerung Stellung genommen und uns nichts vorenthalten.

Dennoch muss ich als Maturantin einen Kritikpunkt ansprechen, sehr geschätzter Herr Bundeskanzler. Die dreieinhalb Wochen vor der Ankündigung von Herrn Bildungsminister Faßmann bezüglich des Fahrplanes für die Matura, waren für mich die schlimmsten in meiner dreizehnjährigen Schullaufbahn. Die Ungewissheit über meine Zukunft sorgte nicht nur für schlaflose Nächte, sondern auch für fehlende Lernmotivation. Die Entscheidungen betreffend der Zentralmatura sind im Vergleich gewiss nicht so lebensnotwenig wie die Eindämmung des Virus, aber bitte denken Sie nicht nur an die großen Zahlen wie den 725 000 Betriebe, die ihre Mitarbeiter in die Kurzarbeit schicken mussten oder den 90 000 Risikogruppeangehörigen. 42 000 Maturantinnen und Maturanten haben dreieinhalb Wochen um ihre Zukunft gebangt wie Old Shatterhand um sein Leben bei seinem ersten Zusammentreffen mit dem berüchtigten Apatschenhäuptling Winnetou.

Ein guter Karl May Western endet immer mit einem Happy End, bei dem der Held dem Sonnenuntergang entgegen reitet und die Banditen hinter Gittern sitzen. Ich wünsche mir auch für Österreich ein Happy End, sehr geschätzter Herr Bundeskanzler. Ihre bisherigen Maßnahmen und Entscheidungen haben die Corona „P(B)ande (mie)“ schon mit einem Fuß in die Zelle katapultiert. Das ersehnte „The End“ ist nicht mehr fern. Danke für Ihren unermüdlichen Einsatz als Revolverheld.

 

Veröffentlicht am 12.05.2020